DIYbio
Do it yourself-Biologie
Im Internet erhältliche DIYbio-Kits – Gentechnik für zu Hause?
Die sogenannte Do-it-yourself-Biologie (kurz: DIYbio) bezeichnet eine Bewegung, die in den USA begann und die bestrebt ist, Biotechnologie einschließlich Gentechnik für jedermann zugänglich zu machen.
Die Anhänger dieser Bewegung wollen unabhängig von Industrie oder Forschungsinstitutionen insbesondere an biotechnologischen Möglichkeiten der Gentechnik teilhaben. Eine Eigendarstellung über die Entstehung der DIYbio-Bewegung und ihre Motivation findet sich im 2013 veröffentlichten Bericht des Wilson Centers in Cambridge, Massachusetts, einer unabhängigen Forschungseinrichtung des US-amerikanischen Kongresses.
Im Zuge dieser Bewegung bieten gegenwärtig insbesondere nordamerikanische Firmen international im Online-Handel Experimentierkästen („Kits“) an, mit denen einfache mikrobiologische und auch gentechnische Experimente durchgeführt werden können. Diese Kits können von Privatpersonen, aber auch z. B. von Schulen beschafft und genutzt werden.
In Deutschland wurden Anfragen zur gesetzlichen Regulierung und zur Risikobewertung solcher Kits an die obersten Landesbehörden der Bundesländer gerichtet. In der Folge hat das BVL im Januar 2017 eine Fachmeldung zu Gentechnik mit DIY-Kits veröffentlicht und die ZKBS eine Stellungnahme [PDF, 194KB] zu drei solcher Kits abgegeben.
Generell gilt: Sind in einem DIY-Kit gentechnisch veränderte Organismen (GVO) enthalten oder werden solche mithilfe des Kits hergestellt, so gilt das Gentechnikrecht. Beim Umgang mit solchen Kits handelt es sich gemäß § 3 Abs. 2 Gentechnikgesetz (GenTG) um gentechnische Arbeiten. Diese dürfen gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 GenTG nur in gentechnischen Anlagen unter Einhaltung der entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt werden.
Bei diesen Kits ist – unabhängig vom Geltungsbereich des Gentechnikrechts – auch aus mikrobiologischen Erwägungen Vorsicht geboten. Aufsehen erregte im März 2017 eine Meldung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), das u. a. für die Sicherheitsüberwachung von gentechnischen Anlagen in Bayern zuständig ist: In zwei stichprobenartig untersuchten „DIY Bacterial Gene Engineering CRISPR-Kits“ der US-amerikanischen Firma „The ODIN“ wurden verschiedene, fakultativ krankheitserregende (nicht-gentechnisch veränderte) Bakterien der Risikogruppe 2 identifiziert. Diese wiesen zum Teil mehrfache Antibiotikaresistenzen auf. Auch das Regierungspräsidium Tübingen hat unabhängig vom LGL einen solchen Kit untersuchen lassen und ist zu den gleichen Ergebnissen gekommen. Dieser Befund steht im Widerspruch zu den Herstellerangaben, wonach der Kit nur apathogene Bakterien des Stammes Escherichia coli K12 (Risikogruppe 1) enthalten sollte. Bereits die Aufbewahrung eines solchen kontaminierten Kits ist in Deutschland gemäß § 44 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ohne entsprechende Erlaubnis nicht gestattet. Die Erlaubnis setzt eine fachliche Qualifikation für den Umgang mit Krankheitserregern voraus. Weitere Informationen hierzu können der Fachmeldung des BVL vom März 2017 sowie dem rapid risk assessment (RRA) des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) vom Mai 2017 entnommen werden.
Das ECDC empfiehlt in seinem RRA nur DIY-Kits von Firmen mit Qualitätskontrollsystem zu erwerben, die sich beim Verpacken, Kennzeichnen und der Dokumentation der verschickten Ware an die World Health Organisation (WHO) „Guidance on regulations for the Transport of Infectious Substances“ halten.
Welche gesetzlichen Regelungen sind bei der Do-it-yourself-Biologie zu beachten?
a) Gentechnikrechtliche Regelungen
Führen DIY-Biologen gentechnische Arbeiten durch, unterliegen diese innerhalb der EU den Vorgaben von zwei EU-Richtlinien. Die Systemrichtlinie (2009/41/EG) [PDF, 897KB] regelt den Umgang mit GVO innerhalb gentechnischer Anlagen, wie etwa Laboratorien. Die Freisetzungsrichtlinie (2001/18/EG) [PDF, 231KB] erfasst neben Mikroorganismen auch Tiere und Pflanzen und legt unter anderem die rechtlichen Bedingungen für zeitlich und räumlich begrenzte Freisetzungen (Feldversuche) und bestimmte Formen des Inverkehrbringens (Handel, Anbau etc.) fest.
Diese beiden Richtlinien wurden durch das Gentechnikgesetz und seine Verordnungen in deutsches Recht umgesetzt. Das GenTG gilt immer dann, wenn mit GVO gearbeitet wird oder GVO erzeugt werden und bezweckt, sowohl vor möglichen Gefahren der Gentechnik zu schützen als auch den rechtlichen Rahmen für deren Erforschung und Nutzung zu schaffen. Bezogen auf die DIY-Biologie gehören neben dem genannten Experimentierkasten auch solche Kits dazu, mit deren Hilfe bestimmte menschliche Genotypen ermittelt oder gentechnisch veränderte, leuchtende Brauhefen hergestellt werden können.
Das GenTG besagt, dass eine gentechnische Arbeit nur nach vorheriger Anzeige oder Anmeldung und Genehmigung und nur in geeigneten, behördlich überwachten Laboratorien (gentechnische Anlage) unter Aufsicht eines sachkundigen Projektleiters und bei Einhaltung bestimmter baulicher und sicherheitstechnischer Vorgaben erfolgen darf. Dies schließt jeden Umgang mit einem GVO ein, auch, wenn es sich nur um die Lagerung handelt. Die Sachkunde des Projektleiters und die fachliche Überwachung durch Behörden soll sicherstellen, dass eine Gefährdung von Mensch und Umwelt vermieden wird. Ähnliche Regelungen gelten EU-weit. In einigen Ländern außerhalb der EU ist die Durchführung gentechnischer Arbeiten jedoch mitun-ter ohne dafür angemeldete Labore erlaubt.
Werden gentechnische Arbeiten in Deutschland außerhalb einer gentechnischen Anlage durchgeführt, so stellt dies gemäß § 38 Absatz 1 Nummer 2 GenTG eine Ordnungswidrigkeit dar, die zur Auferlegung einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro führen kann. Werden unerlaubt GVO in die Umwelt freigesetzt, so ist dies gemäß § 39 Absatz 2 Nummer 2 GenTG eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden kann.
DIY-Kits, die GVO enthalten, dürfen weder nach Deutschland importiert noch dort gelagert werden, sofern sie nicht für die Verwendung in einer geeigneten gentechnischen Anlage vorgesehen sind. Für den Transport gelten ggf. die Bestimmungen des Gefahrguttransports. Hier sind die Dangerous Goods Regulations (IATA DGR), welche die Bestimmungen für den Transport von Gefahrgut im Luftverkehr beinhalten, zu beachten sowie die auf dem Gefahrgutbeförderungsgesetz beruhende Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, mit Eisenbahnen und auf Binnengewässern (GGVSEB).
b) Andere Rechtsvorschriften
Unabhängig von gentechnikrechtlichen Vorgaben sind ggf. weitere gesetzliche Vorgaben beim Umgang mit pathogenen Mikroorganismen, mit Zellkulturen, mit aktiven Substanzen oder mit Chemikalien, die für bestimmte Methoden eingesetzt werden, sowie bei der Analyse von DNA-Sequenzen, besonders humaner DNA, zu beachten. Dazu gehören u. a.
- das Infektionsschutzgesetz (IfSG), welches als Ziel die Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen hat und welches beim Umgang mit entsprechenden Erregern beachtet werden muss,
- die Tierseuchenerreger-Verordnung (TierSeuchErV), die dem Schutz von Tieren, einschließlich Haustieren und Süßwasserfischen, vor übertragbaren Krankheiten dient,
- die Biostoffverordnung (BiostoffV), die dem Schutz von Arbeitnehmern bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen (z. B. Mikroorganismen*), die die Gesundheit des Menschen gefährden können dient,
- die Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), die dem Schutz von Mensch und Umwelt vor schädlichen Stoffen wie zahlreichen Chemikalien dient,
- das Pflanzenschutzgesetz (PflSchG), welches dem Schutz von Pflanzen, Pflanzenerzeugnissen sowie von Mensch und Tier vor Gefahren, insbesondere durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln, aber auch vor Schadorganismen dient, sowie
- das Gendiagnostikgesetz (GenDG), welches genetische Untersuchungen beim Menschen und die Verwendung genetischer Proben und Daten regelt. Es besagt beispielsweise, dass genetische Untersuchungen zu diagnostischen oder prädiktiven Zwecken nur von einem Arzt oder einer Ärztin durchgeführt werden dürfen.
Gefährden gentechnische Arbeiten der DIY-Biologen die öffentliche Sicherheit?
Die Frage nach einer möglichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch gentechnische Arbeiten der DIY-Biologen wurde bereits durch Politik und Sicherheitsbehörden aufgegriffen. Eine behördliche Beobachtung der DIY-Initiativen ist erforderlich: Eine vom Wilson Center weltweit durchgeführte Umfrage ergab, dass unter 210 DIY-Biologen 12 (6 %) mit Risikogruppe 2 Organismen arbeiten.
DIYbio-Initiativen existieren weltweit. Ein erstes Community-Labor wurde 2010 in Brooklyn, NY, von der gemeinnützigen Organisation Genspace eröffnet, weitere folgten. In Europa gibt es öffentliche, angemeldete Gemeinschaftslabore mittlerweile z. B. in Amsterdam, Paris, London, Graz und Prag. In Deutschland gibt es derzeit noch kein solches Labor. Arbeiten DIY-Biologen in öffentlichen, angemeldeten Gemeinschaftslaboren (in Europa mit dem Status einer gentechnischen Anlage), können die behördlichen Sicherheitsüberwachungen eventuelle Risiken für die Experimentatoren und die Öffentlichkeit minimieren.
* Ein Laie kann möglicherweise wegen Fehlens von Fachkenntnis und technischen Möglichkeiten mikrobiologische Gefährdungen nicht erkennen. Beispielsweise ist die Unterscheidung von pathogenen Keimen in DIYbio-Kits von nicht pathogenen Keimen durch bloße Inaugenscheinnahme sehr schwierig bzw. nicht möglich.
erschienen: September 2017